Ja, wir haben es geschafft, seit einigen Tagen sind wir endlich ziemlich dauerhaft in der Sonne. Wobei es am Meer natürlich ordentlich windig bleibt. Heute haben wir mal wieder ausgiebig Drachen steigen lassen. Im goldenen M von Sines, wo wir gerade das kostenlose WiFi abgreifen, haben wir uns nach kürzester Zeit vor dem Wind ins Innere geflüchtet, müssen nachher aber sicher noch dem Spielplatz huldigen. Aber zunächst zum Sinn dieses Eintrags:
Teil 4: Portugalphase und Schulzeit haben begonnen
11. September: Heute heißt es: heiße Quellen für alle! Entlang eines gepflasterten Fußwegs gibt es alle paar hundert Meter Becken mit verschieden warmem Thermalwasser. Einfach so, öffentlich, kostenlos, schön gemauert, mit Duschen und allem Drum und Dran. Wir verbringen Stunden mit dem Becken-Hopping. Zurück am Nugget ist’s höchste Zeit für den ersten Schulunterricht. Montags steht ja Deutsch auf dem Stundenplan, also beschäftigen Antonia und ich uns mit den Buchstaben „C“ und „ß“ und üben Schreibschrift. Dann düsen wir los nach Portugal, genehmigen uns einen fetten Einkauf in einem riesigen Supermarkt, der durch Fisch- und Melonenberge besticht und übernachten im Städtchen Chaves am Flussufer. Ach, und fast hätte ich das Wichtigste vergessen: Kurz vor dem Einschlafen stößt Valentin einen Triumphschrei aus – sein erster Wackelzahn ist raus!
12. September: Chaves ist niedlich, wir genießen die Aussicht vom Festungsturm (der wirkt als könnten die stattlichen Zinnen jederzeit den Flug nach unten antreten), kaufen ein Gemüse, das aussieht wie eine Paprika mit Stacheln (aber nach Zucchini schmeckt) und machen uns einen Spaß draus, jedes Schaufenster genau zu studieren. Am Ende ärgern wir uns, keine der vielen künstlichen Pflanzen gekauft zu haben, denn ein wenig Grün hätte unserem Bus gut gestanden…! Dann folgen wir der nordportugiesischen Bäderstraße mit ihren schönen Fliesen-Brunnen bis zum Kurpark von Pedras Salgadas, wo wir picknicken. Die hundert Jahre alten Brunnen- und Badehäuschen sind hübsch, fast so hübsch wie das sauberste Klo der ganzen Reise, das wir im Edelrestaurant des Parks „genießen“ dürfen. Auf höchst abenteuerlichen Pflastersteinpisten lassen wir uns anschließend vom Navi auf direktem Weg zum Wanderparkplatz beim größten Wasserfall Portugals bringen – nicht ohne zweimal fast in den engen Ortsdurchfahrten stecken zu bleiben. Der Wasserfall führt wenig Wasser, wir baden trotzdem in den oberhalb gelegenen Gumpen und genießen die abendliche Wanderung.
13. September: Unser Übernachtungsplatz ist sensationell: völlig einsam in den Bergen, aber direkt an einem Kinderspielplatz. Auf dessen Gummiplatten werden erstmal die Schleich-Tiere aus der Kiste gelassen. Dann machen wir Unterricht. Als wir schließlich alles einpacken, hören wir Glockengeklingel, das näher kommt. Eine Ziegenherde! Auch die darf ausgiebig den Spielplatz untersuchen, bis der Hirte sie mit lauten Rufen weitertreibt. Weil die Sonne vom Himmel brennt, beschließen wir eine schöne Fluss-Badestelle zu suchen. Doch beide Versuche überzeugen uns nicht, das Wasser ist nach dem langen Sommer grün und fließt kaum, irgendwie zu brackig. Die zweite Stelle ist ein verrückter Aussteiger-Campingplatz einer Niederländerin, auf dem Wohnmobile verboten und nur kleine Busse erlaubt sind! Die Dame ist etwas seltsam, verkauft uns aber immerhin eine große Flasche des Traubensafts, den sie gerade einkocht. Dann düsen wir nach Braga, lassen die Stadt aber links liegen, denn uns interessiert nur eins: die wasserbetriebene Standseilbahn zur Kirchenanlage Bom Jesus do Monte. Oben kann man gut beobachten, wie hunderte Liter Wasser in den riesigen schrägen Tank an der Unterseite des Waggons fließen (insgesamt passen 3.500 Liter rein), unten, wie sie wieder herausströmen. Der Tag endet in Barcelos, wo wir lecker Essen gehen und uns vor diversen riesigen Hahn-Skulpturen fotografieren. Der Hahn von Barcelos ist nämlich das Wahrzeichen Portugals, die Geschichte dazu geht in Kurzfassung so: Ein unschuldig verurteilter Pilger beteuert vor seiner Hinrichtung gegenüber dem Brathähnchen essenden Richter: „Eher fängt dieser Hahn zu krähen an, als dass ich ein Verbrechen begangen habe!“ – Da kräht das Tier auf dem Teller, der Pilger kommt frei.
14. September: In Barcelos sind wir aus einem bestimmten Grund: Donnerstags ist hier Markt, der größte Portugals. Natürlich gibt es überall Hahn-Figuren, -Handtücher, -Schürzen, -Magnete. Aber auch Möbel, Klamotten, Werkzeuge, Seile, Fässer, Obst, Gemüse und gigantische Bäckerstände mit sooooo leckeren süßen Stückchen. Nach Stunden in dem wilden Treiben entspannen wir im öffentlichen Schwimmbad, wo wir lange die einzigen Gäste sind. Dann führt unser Weg weiter zum Meer, wo wir an alten Windmühlen entlangspazieren. Dort in der Nähe entdecken wir einen romantischen Schlafplatz, doch der Wind rüttelt dermaßen an unserem Fahrzeug, dass wir uns schließlich doch an ein nahe gelegenes, ruhigeres Hafenbecken retten.
15. September: Freitags ist Kunstunterricht, wir malen Schiffe. Und machen zudem Sport an der Strandpromenade, wo diverse Sportgeräte herumstehen – eine Art Freiluft-Fitnessstudio, so was gibt es hier öfter. Dann fahren wir nach Porto, mit Halt am großen Hafen, doch die Schwenkbrücke hat leider keinen Einsatz. Aber wir bekommen anderweitig Action geboten: Kaum sind wir in die eigentliche Stadt eingefahren, sehen wir am gegenüberliegenden Ufer Qualm aufsteigen. Dort, in einem Garten, hat es angefangen zu brennen. Schnell breitet sich das Feuer auf weitere Büsche und Bäume aus, Kabel sprühen Funken, die Rauchsäule ist enorm. Endlich rücken die ersten Feuerwehrleute an, doch es dauert gefühlte Ewigkeiten, bis sie den Brand unter Kontrolle haben. Nun können wir endlich weiterfahren, und Valentin hört auf panisch zu sein. Porto selbst ist toll. Wir überqueren zunächst mit einem Schiffchen den Douro, um auf die Seite der Portweinkeller zu gelangen, bewundern Kähne voller Weinfässer und die alles überragende Ponte Luís I, die ein Schüler Gustave Eiffels gebaut hat. Auf dieser laufen wir zurück, fahren mit einer Standseilbahn in die Oberstadt, suchen den berühmten gekachelten Bahnhof, der auf den Azulejos Szenen der portugiesischen Geschichte darstellt, lassen uns weiter über Straßen und Plätze treiben und stranden schließlich in einer extrem schlichten Mischung aus Bäckerei und Schnellrestaurant. Die Fischkroketten, die wir dort serviert bekommen, sind dermaßen lecker, dass Antonia sich verführen lässt zu probieren und sich prompt eine eigene bestellt! Beim Verdauungsspaziergang wird es bereits dunkel, beste Zeit für Straßenmusiker. Uns gefällt vor allem ein junger niederländischer Gitarrenspieler der – auf einer grünen Mülltonne sitzend – englische Seemannslieder singt und dabei mit dem Fuß den Rhythmus auf eben jener Tonne trommelt.
16. September: Nachts sind wir an einen laut Stellplatzführer wunderschönen Strand gefahren, morgens offenbart sich die ganze Pracht: ein endloser Sandstrand mit Dünen im Hintergrund, ruhig und friedlich. Nach dem Panorama-Frühstück lassen wir lange Drachen steigen. Die Kinder perfektionieren die Handhabung ihrer Einleiner, ich meines Zweileiners, Jochen seines Vierleiners… jeder wie er kann! 😉 Eine kurze Bodyboard-Session überzeugt Valentin und mich, dass wir weiter Richtung Süden müssen (das Wasser ist eiskalt) und so katapultierten wir uns ratz, fatz nach Nazaré. Folklore-Tänzer, weiße Gässchen, herrliche Blicke hinunter in die Bucht: Der Ort lässt Touri-Herzen höher schlagen. Unten am Leuchtturm sehen wir auch die Seite des Strands, an der sich die höchsten Wellen der Welt aufbauen können. Heute sind sie zwar auch größer als anderswo, mehr als zwei Meter erreichen sie aber kaum.
17. September: Wir haben in der Nähe einer enormen Sanddüne übernachtet, die wir jetzt erkunden. Wir steigen hinauf und schnaufen dabei wie alte Dampfmaschinen, Mann, ist das anstrengend! Dann kullern wir im Sand (und bekommen bei dem Gefälle ein ordentliches Tempo drauf, mir wird schlecht), schnaufen wieder nach oben, hüpfen, plumpsen. Auch die Umgebung der Düne erkunden wir, wobei uns der Sand aus allen Poren und Falten rieselt. Da hilft nur eins: Ab auf den Campingplatz von Lissabon, schwimmen im kühlen Pool und abends heiß und sehr lang duschen.
18. September: Während des Deutschunterrichts fängt es plötzlich an zu nieseln – damit haben wir überhaupt nicht gerechnet! Wir flüchten uns zum Kuscheln in den Nugget. Als es etwas heller wird, beschließen wir loszuziehen Richtung Lissaboner Innenstadt. Dort kommt die Sonne wieder raus, wir sind für den Rest des Tages zu warm angezogen… Unser Versprechen haltend kaufen wir Fahrkarten für einen oben offenen Doppeldecker-Touristenbus und fahren eine riesige Runde durch den östlichen Teil der Stadt. Danach erkunden wir die Gegend ums Kastell inklusive Kirchen und Panoramaterrassen, bis wir endlich an den Burgmauern ankommen. Der Eintrittspreis ist horrend, aber ich vertrete die Meinung, dass wir das Touri-Programm nun durchziehen sollten. Der Rundgang auf den zinnenbewehrten Mauern von einem Turm zum anderen bietet traumhafte Aussichten, die portugiesische Fahne auf dem höchsten Turm tobt eindrucksvoll im Wind. Beim Abstieg zurück ins Stadtzentrum bleibt unser Blick an einem Baum hängen, der mit einer bunten Häkeldecke umspannt ist, wie cool! Und während wir da so gucken, fällt unser Blick auf ein kleines indisches Restaurant, dem wir mit unseren knurrenden Mägen kurzerhand einen Besuch abstatten. Antonia ist – ganz ungewohnt – erneut in Probierlaune und isst größere Mengen von Samosas und Reis mit gelber Chicken-Korma-Sauce.
19. September: Nach dem Mathe-Unterricht baden wir ausgiebig im Pool des Campingplatzes. Und beschließen, dass Valentin zur Optimierung seines Schwimmstils eine Schwimmnudel braucht, die wir ihm direkt auf der Fahrt in die Innenstadt bei unserem Lieblingssporthändler kaufen. Dann durchstreifen wir die Umgebung des berühmten Torre de Belém, steigen erneut in unseren Doppeldecker und einige Stationen später wieder aus, um das Barrio Alto zu erkunden. Die restliche Busfahrt wollen wir abends auf dem Weg zurück zum Nugget einbauen. Im Barrio Alto beeindrucken uns vor allem die Erstsemester-Studenten, die gemeinsam mit älteren Kommilitonen laut singend durch die Straßen ziehen und Initiationstänze aufführen. Nach einem Einkauf im hübschesten Supermarkt seit langem (mit kunstvollen Holzbalkonen im Verkaufsraum) warten wir auf unseren Bus. Doch er kommt nicht. Bis 19 Uhr könne man zusteigen, behauptet der Prospekt. Seit kurz nach 18 Uhr stehen wir rum. Um kurz vor sieben geben wir auf und nehmen den rumpeligen Linienbus 714 nach Belém, enttäuscht und sauer (ich zumindest). Da haben sich die mordsteuren Touristen-Bustickets ja nicht wirklich gelohnt… Über eine rote Brücke, die wie die Golden Gate aussieht, aber Brücke des 25. April heißt, fahren wir zu einem Stellplatz bei Aldeia do Meco am Strand, es gibt noch Fischkroketten und Fischstäbchen home made, also selbst aufgetaut.
20. September: Ich habe schlecht geschlafen… denn diese Bus-Panne gestern Abend war kein würdiges Ende für das Kennenlernen der wunderbaren Stadt Lissabon. Wir frühstücken oberhalb des Strands in der Sonne, doch ich bin mies gelaunt, beiße mir erst auf die Zunge, mache dann aber doch meinen Vorschlag: Wir schießen uns nochmal über die rote Brücke nach Lissabon rein, steigen in den roten Touri-Bus, da unser Ticket noch bis nachmittags gilt und gondeln einmal komplett die gestern großteils verpasste Strecke ab. Danach fahren wir über die 17 Kilometer lange Vasco-da-Gama-Brücke aus der Stadt heraus und über die Autobahn direkt Richtung Süden. Die Ablehnung, die ich befürchtet hatte, bleibt aus. Also machen wir’s genau so. Wir parken am Jeronimo-Kloster, fahren fast zwei Stunden Bus und nutzen unser Ticket folglich doch noch so richtig aus! Auf dem Weg zurück zum Parkplatz kehren wir in einer winzigen Mischung aus Bar und Café ein. Antonia bekommt Fischkroketten, und zwar fünf Stück (die Dinger sind nicht gerade klein…), ich ordere einen bestreuselten braunen Klumpen, der aufgeschnitten und mit Zimt und Puderzucker bestreut wird. Er schmeckt göttlich. Beim Rausgehen bestelle ich einen weiteren zum Mitnehmen – so liebevoll und geschickt wie den älteren Herrn hinter der Theke habe ich noch nie jemanden etwas in ein Päckchen packen sehen. Im Auto sitzend telefoniere ich gerade mit meinem Vater, als die Vasco-da-Gama-Brücke vor uns auftaucht. Schnell lege ich auf, um Fotos von den 17 Brückenkilometern zu schießen, die in der Realität auf 12 Kilometer schrumpfen, zumindest laut unserem Tacho. Nächste Mission: Einen Strand für einen ordentlichen Sonnenuntergang suchen. Mein Vorschlag etwas nördlich von Sines fällt bei Jochen durch, zu touristisch. Und da er sich heute Morgen zur Rettung meines Seelenheils auf eine Rückkehr nach Lissabon eingelassen hat, will ich jetzt auch für ihn das Karma ins Gleichgewicht bringen. Wir fahren also weiter bis kurz nach Sines, sehen von dort auf Hafenkräne (was ein Ingenieur ja romantisch findet), bekommen aber dennoch (oder gerade deswegen) einen gigantischen Sonnenuntergang.
tolle Erlebnisse!
Klasse geschrieben!
Wäre am liebsten auch dabei, aber 3 Dicke, da reicht wohl der Platz nicht. Deshalb mein Vorschlag: Jochen schläft als Wachhund draußen. Hauptsache ich habs gemütlich.
Kommentar von Traude
LikeLike
Ui, plötzlich steht alles voll! Toll, so ist es für uns Daheimgebliebenen noch schöner – Lieber Gruß, Maya
LikeLike