Radeln bis der Hintern schmerzt

So, nun liegt der kleine dritte Teil unseres Familien-Sabbaticals auch hinter uns – wir sind jetzt wirklich und endgültig wieder zu Hause. Der Zwischenstopp im Juni, bei dem Antonia zum zweiten Mal für einige Zeit die Schule besucht hat, fühlte sich schon relativ final und richtig an, fast schon so, dass es und schwer fiel noch einmal aufzubrechen. Doch wie gut, dass wir’s getan haben! Sieben Tage lang sind wir mit den Großeltern mütterlicherseits an der Drau entlang geradelt, die Kinder haben mehr Fitness und Durchhaltevermögen bewiesen, als wir uns hätten träumen lassen und es war eine wunderbare Erfahrung, im großen Familienverband durch die österreichischen Flussauen zu kurven. Und dann hatten Jochen und ich noch einmal genauso lange Zweisamkeit und Mountainbike-Schwitzen in Slowenien. Zur Abkühlung haben wir dann eine ganz besondere Veranstaltung angesteuert… Da lohnt ein kleiner Rückblick!

7. Juli: Gerade waren wir noch Umzugshelfer in Schwäbisch Hall, dann Geburtstagsgäste bei Valentins bestem Freund in Gebersheim. Und als ob das nicht genug wäre, sind wir nach dem feierlichen Grill-Event direkt in den Nugget gestiegen und  zu den Großeltern nach Kempten gedüst. Während die Kinder schlummern, gehen wir nochmal die grobe Planung für den Drau-Radweg durch.

8. Juli: Direkt nach dem Frühstück in großer Runde (mit Schwesti und Familie) setzen wir uns in die mit Rädern beladenen Autos und machen uns auf Richtung Fernpass. Antonia fährt bei Oma und Opa mit, so dass es mal kein Kindergestreite gibt, sehr angenehm. Dank Google Maps erfahren wir rechtzeitig von einem Stau bei Reutte, dass großelterliche Auto kommt eine Dreiviertelstunde später, aber dennoch mit gut gelaunten Insassen am Treffpunkt, der Drei Zinnen Käserei, in Toblach an. Ob man hier wohl für mehrere Tage bzw. Wochen parken kann? Ich mache mich auf die Suche nach einem Verantwortlichen, den ich nach geduldigem Anstehen an der Käsekasse und ein paar Telefonaten auch finde – und bekomme die Erlaubnis, die beiden Fahrzeuge innerhalb der Umzäunung auf dem sichersten und abgelegensten Teil des Firmengeländes abzustellen. Vielen Dank nochmal an dieser Stelle – es lohnt sich einfach miteinander zu reden! Voll motiviert nutzen wir die Abendstunden und radeln noch 17 Kilometer bis Sillian. Dort treffen wir pünktlich zum jährlichen Open-Air-Konzert der Blasmusik-Kapelle ein – die Stimmung ist prima, es gibt Schnaps aus einem portablen Fässchen, Gratis-Würstel von der Volksbank und jede Menge heitere Musikstücke.

9. Juli: Nach einem reichhaltigen Frühstück brechen wir auf zur ersten richtigen Etappe. Es geht fast nur bergab bis Lienz – und macht einen Heidenspaß! Unterwegs stoppen wir an einer wunderbaren Kiesbank sowie an der Galitzenklamm, deren eindrucksvolle Kletterwände wir bewundern, bevor wir ausgiebig den tollen Wasserspielplatz genießen. In Lienz lassen wir im erstbesten Radladen Antonias Schaltung richten, damit sich das schiefe Schaltwerk nicht zum zweiten Mal in den Speichen verheddert. Oma Margret und Valentin bekommen neue Helme (Vale ist kurz vor der Tour gestürzt, weshalb seiner zwei Löcher im Plastik und vermutlich Mikrorisse hat, Oma hat ihren schlicht vergessen!!). Im Café am Hauptplatz dauert die Belieferung (bis auf Jochens belegte Brötchen) super lang, und der sanfte Engel für die Oma enthält nur wenige Milliliter Orangensaft. Aber trotzdem ist es traumhaft hier in der Sonne zu sitzen. Die vorsorglich reservierte Unterkunft in der Nähe von Lienz sagen wir ab und rollen weiter bis Oberdrauburg. Die Pension hier ist etwas speziell, aber geräumig und mit Gartennutzung. Wir gehen super lecker essen, und Valentin, der in der Regel isst wie ein Spatz, bestellt ein zweites Schnitzel!

10. Juli: Heute geht’s bis Spital. Zunächst radeln wir direkt an der Drau entlang, wunderschön. Auf einer Wiese erspähen wir Flugzeuge… zu klein, um echt zu sei, aber fast zu echt, um Spielzeug zu sein. Eine Gruppe Modellbauer aus der Gegend um Gelsenkirchen trifft sich hier einmal im Jahr zum großen Flugfest… und wir mittendrin! Die Bastler sparen nicht mit beeindruckenden Vorführungen: Loopings, Schrauben, Sturzflüge – wir bekommen alles präsentiert. Dann geht’s ein wenig durch die Pampa, wir kommen dabei an der größten Gartenzwerg-Parade vorbei, die wir je gesehen haben. Anschließend schauen Margareta und Anke ein altes Kapellchen auf einem Hügel an, der Rest radelt weiter. Wir treffen uns in Lind in einem Café wieder, wo Opa Gerhard fröhlich Apfelstrudel mampft. Dort warten wir einen kurzen Regenschauer ab, dann rollen wir durch Getreidefelder, zwischen denen wir hin und wieder stehen bleiben müssen, um die verschiedenen Getreidesorten zu bestimmen. Gibt es tatsächlich Weizen mit Grannen? Meine Mutter will es mir weis machen… Ab Lendorf wird die Streckenführung leider etwas nervig, Radwege fehlen zum Teil, wie auch Beschilderungen und Straßenmarkierungen. So geht das bis Spittal (Stadt ohne Radwege…). Dort kommen wir zwischen Sportanlagen recht hübsch in einer Jugendherberge unter – mit stolzen 60 Kilometern Radtour in den Beinen! Essen gehen wir sehr gut beim Schwimmbad, vor allem die in den Tisch eingelassene Schublade voller Bonbons zur Selbstbedienung ist der Hit. Das WM-Halbfinale dürfen wir in der Tenniskneipe im Haus zu drei Vierteln sehen, dann wir der Laden zugesperrt. Zum Glück haben wir Jochens Handy mit vernünftiger Datenrate!

11. Juli: Für das Frühstück müssen wir zur Tennishalle rüber laufen, aber es ist gut und reichlich. In Spittal begeistert uns vor allem der Spielplatz im Stadtpark, Valentin findet drum herum einige Hügel zum Mountainbiken, Antonia hat im Nu eine neue Freundin, die Großeltern suchen derweil weitere kulturelle Höhepunkte der Stadt, kommen aber bald wieder… Unser nächstes Ziel ist die Draufähre bei Feffernitz, eine Gierfähre am Seil, einfaches Holzmodell, gemütlicher Fährmann. Damit er von gegenüber rüberkommt, müssen wir laut eine Glocke läuten. Am Zielufer angekommen, werden die Kinder mit Lollis beschenkt, ich immerhin mit einem Infoheft übers Radeln in der Gegend. Im weiteren Verlauf der Etappe nimmt Valentin die Verfolgung eines „Luftfahrrads“ auf – will heißen: eines Kinderbikes, dessen Vorderrad mit einer scharnierartigen Halterung an Vaters Hinterachse befestigt ist und deshalb in der Luft hängt. Die gegenseitigen Überholmanöver scheinen kein Ende zu nehmen und sind erfrischend motivierend. Schließlich siegt Valentin und hat blendende Laune, was ein Glück! Derartig gut gelaunt schaffen wir es sogar noch halbwegs würdig zur Unterkunft dieses Tages, die deutlich außerhalb von Villach liegt. Dafür gibt es einen Fernseher und wir können den Kroaten beim Gewinnen zuschauen. Zuvor hatte uns eine abendliche Radrunde in die Stadt geführt, wo wir einen Kirchturm bestiegen und große Mengen Schnitzel verdrückt haben (Omas gruselige vegetarische Gemüseplatte thematisieren wir an dieser Stelle lieber nicht…).

12. Juli: Mann, ist das heiß heute! Für die erste Rast am Fluss suchen wir lange vergeblich nach einem Schattenplatz. Als wir in Rosegg ankommen, beschließen wir das dortige Labyrinth zu besuchen: Es besteht aus hohen Buchenhecken – zwischen denen ist es wenigstens ein klein wenig schattig. Zudem ist die Aussicht rüber zum gleichnamigen Schloss sehr hübsch. Der nächste sonnenarme Rastplatz befindet sich unter einer nagelneuen Brücke, die einen wilden Drau-Zufluss überspannt. Wir bauen darunter ein Badebecken für die müden Füsse. Die Unterkunftsfrage lösen wir mal wieder telefonisch, und zur großen Zufriedenheit der Kinder: Wir landen in einer Art Kinderpension, bei Familie Tischler in Kirschentheuer. Dort gibt es einen Pool, einen Kunstrasen-Fußballplatz, einen enormen In- und Outdoor-Spielplatz, jede Menge große, robuste Dreiräder und noch diverse andere Dinge, die kleinen Menschen viel Freude bereiten. Gerhard und ich gehen im örtlichen Penny-Markt shoppen und kommen mit einem herrlichen Picknick zurück, das wir an einem großen Tisch am Rande des Pools einnehmen. Wir sitzen noch lange im Garten und haben irgendwie eine Vorahnung, dass es nicht der letzte Abend hier sein wird.

13. Juli: Beim Frühstück an besagtem Picknicktisch am Pool beschließen wir offiziell und einhellig, dass wir noch einen weiteren Tag bleiben. Es gibt andere Kinder – und so viele Beschäftigungsmöglichkeiten, dass man definitiv mehr Zeit braucht, um sie alle genießen zu können. Wir machen also einen „Pausetag“. Als kleine Unternehmung empfiehlt uns der Vermieter einen Ausflug zur Tscheppaschlucht. „Nur drei, vier Kilometer zu fahren“, „ganz nah“, „eine Attraktion für den Vormittag“… so wird uns die Schlucht angepriesen. De facto fahren wir heute mit unseren Rädern mehr Höchenmeter bergauf als an allen anderen Tagen zusammen. Der Weg ist gut acht Kilometer lang, stetig ansteigend. Die Kinder fluchen, und die Hitze setzt uns allen zu. Doch irgendwann erreichen wir den Eingang der Schlucht, durchwandern sie bis zu einer relativ spektakulären Hängebrücke an einem Wasserfall – und wieder retour. An einer Furt, die wir bei der Hinfahrt schnellstmöglich durchquert haben, machen wir diesmal Halt, bauen Steinmännchen, Staudämme und Strudelbecken. Die Anstrengungen der letzten Stunden sind schnell vergessen, zumal es ab hier fast nur noch bergab geht. In der Pension warten Pool und Picknick, wir sind versöhnt mit dem Pausetag.

14. Juli: Endspurt! Heute wollen wir bis an den Klopeiner See und damit ans Ziel kommen. Doch das will erkämpft werden. Zunächst gibt es nur für Valentin ein Highlight: die gleichnamige Fähre. Mehr als 20 Kilometer lang finden wir entlang der Drau keinen einzigen Rastplatz. Erst an der Annabrücke stoßen wir auf einen überdachten Tisch. Ohne Dach wäre praktischer, dann würde der Regen vielleicht ab und zu den Tisch waschen. So müssen wir unsere Brotdosen zwischen den verschimmelten Flecken der Vor-Esser platzieren. Aber wir wollen nicht meckern, diese Rast war überfällig. Logisch, dass sich kurz danach ein hübscher Picknickplatz an den anderen reiht… Die Drau ist unglaublich breit hier, ein richtiger Stausee. Und immer noch so schön grünblau wie zu Beginn, als sie noch ein kleines Rinnsal war. Unsere Unterkunft für heute ist ein Bauernhof mit Pferden, Kühen, Schafen, Ziegen, Hasen und allerlei anderem Getier. Die Kinder können sich kaum losreißen. Aber unser Ziel ist doch der See, und der Vermieter hat uns noch dazu mit kostenlosen Eintrittskarten für das Klopeiner-Seebad versorgt. Also noch einmal rauf auf die Drahtesel, einen Wald durchqueren – und dann ab in den herrlich klaren See. Weil wir in den letzten Tagen kaum genügend pedaliert sind, mieten wir uns auch noch für eine Stunde ein Tretboot!

15. Juli: Die Oma ist aufgeregt – denn heute fahren die Großeltern und die Kinder mit dem Zug nach Toblach, und Zugfahren macht nun mal nervös. Wir begleiten die vier zum kleinen Bahnhof von Teinach Stein, laden die Räder in den Zug, winken lange… Und setzen uns dann für fast zwei Stunden auf das Bänkchen an den Gleisen, um zu recherchieren, wie es mit uns beiden eigentlich weitergehen soll. Ursprünglich wollten wir der Drau/Drava folgen bis Maribor. Doch schlussendlich entscheiden wir uns für den so genannten Slovenia West Loop. Denn ich will ordentliche Berge, das heißt, wir müssen in die Julischen Alpen fahren. Der Triglav-Nationalpark soll wunderschön sein, wollen wir doch mal sehen! Um überhaupt nach Slowenien zu kommen, überqueren wir den Seebergsattel. Wobei es in einer der letzten Serpentinen hemmungslos zu regnen beginnt. Als unser Abwarteplatz unter ein paar Fichten ziemlich durchgeweicht ist, beschließen wir raus in den Regen und hoch zum Sattel zu fahren. Dort treffen wir zwei Motorrad-Pärchen, die ebenfalls auf bessere Zeiten hoffen und kaufen der etwas derben Wirtin massenweise heiße Schokolade ab. Um kurz nach vier dringt Jochen zum Aufbruch – das WM-Finale fängt bald an… Wir schießen also durch den Nieselregen ins erste Dorf auf slowenischer Seite, Jezersko, und landen in der Vila Koman, einem alten, aber liebevoll im Shabby-Chic-Stil hergerichteten Gästehaus mit enormem Fernseher. In der Ecke bollert ein Öfelchen, so dass wir unsere nassen Klamotten und Schuhe problemlos trocknen können. Gegenüber in der anderen Ecke steht ein alter Flügel. Ein Gast aus den USA erweist sich als Blues-Virtuose und spielt mir (bin zu der Zeit die einzige Anwesende) wunderbar berührende Stücke aus dem amerikanischen Bürgerkrieg vor. Vor dem Fenster vollzieht sich derweil ein veritables Alpenglühen. Dieses Haus hat eine ganz besondere Atmosphäre.

16. Juli: In einem Prospekt haben wir eine kleine Panoramatour in der Gegend gefunden, die wir als Frühstücksrunde einbauen. Dann rollen wir endlose Kilometer hinunter nach Ljubiljana. Der Klavierspieler vom Vorabend hat uns die Hauptstadt ans Herz gelegt, so dass wir kurzerhand beschließen sie in unsere Route zu integrieren. Wir finden sogar eine günstige Unterkunft mitten in der Innenstadt: in einem Zelt. Ein junger Mann scheint hier das Glück zu haben, dass seine Großmutter ein Haus mit schmalem, langgezogenem Garten im ehemaligen Gemüsebauern-Vorort besitzt. Diesen hat er kurzerhand zu einem privaten, vorinstallierten Mini-Campingplatz umgebaut. Günstiger und origineller kann ein Schlafplatz mitten in der City nicht sein. Dafür können wir uns nun ein dickes Abendessen mit ein paar herrlichen regionalen Dunkelbieren leisten! Zuvor aber erkunden wir die Stadt per Fahrrad – so sieht man einfach unheimlich viel in kurzer Zeit. Vor allem begeistern uns die toll renovierte Burg über der Stadt, die Jugendstilhäuser und die Straßenmusikanten.

17. Juli: Um nicht einen Teil der Strecke vom Vortag durchs Flachland wieder zurück radeln zu müssen, gönnen wir uns eine einstündige Zugfahrt von Lubiljana bis kurz vor Bled. Dort umrunden wir den unglaublich türkisblauen See mit seinem Inselchen, dessen Glockenturm ununterbrochen zu bimmeln scheint. Hinter einem der angrenzenden Hügel geht es weiter zum Wocheiner See, der uns von mehreren Seiten als traumschön angepriesen wurde. Leider gibt es aber keine Nebenstraßen dorthin, und die enge Bundesstraße erweist sich als für Fahrräder unerträglich. Also planen wir erneut um und fahren über wundebare Wald- und Wiesenwege in den Triglav-Nationalpark. Dort legen wir ein Ruhepäuschen auf einer einsamen Kiesbank im Fluss ein und radeln schlussendlich auf einer hochmodernen, EU-finanzierten reinen Fahrradbahn (mit Mittelstreifen und zahlreichen Picknickplätzen!) nach Kranjska Gora. Die dortige Jugendherberge spendiert uns ein Viererzimmer zum Preis von zwei Betten, so dass wir unsere drei Habseligkeiten gnadenlos ausbreiten können. Nach den ganzen regionalen Mehlpapp-Spezialitäten der letzten Tage ist uns heute nach asiatischem Essen – und wir finden tatsächlich einen Chinesen, der eine herrliche mongolische Fleischplatte anbietet.

18. Juli: Aufi aufn Berg! Heute wollen wir mal ordentlich Bergpanorama genießen. Dafür kämpfen wir uns bei großer Hitze auf zum Glück meist schattigen Forstwegen auf den Gebirgsstock, der Slowenien von Österreich trennt. Kurz vor dem Sattel geht der Kiesweg in einen Trampelpfad über und wir stehen plötzlich vor einer Kuhherde. Bei genauer Betrachtung: vor Mutterkühen mit kleinen Kälbern. Nix wie weg, denn die sind zu Angriff und Verteidigung bereit! Also bugsieren wir die Räder über den linken (ziemlich steilen) Höhenrücken weit oberhalb an der Herde vorbei. Belohnt werden wir mit Unmengen von Alpenrosen und einem herrlichen Blick runter nach Villach. Auf einem engen Wanderpfad geht’s weiter, bis wir einen einheimischen Mountainbiker treffen, der uns rät auf den oberhalb gelegenen Gipfel des Techantinger Mittagskogels (okay, er sagt „Trupejevo Poldne“) zu steigen. Tun wir. Lohnt sich!! Die anschließende Abfahrt nach Kranjska Gora ist ein Riesenspaß – sowohl was das Tempo als auch was das Panorama angeht.

19. Juli: Der höchste Gebirgspass Sloweniens wartet auf uns: der Vrsic-Pass. Es wird ein Tag der Superlative: Was für ein wunderschönes Tal! Was für eine coole alte Militärstraße! Was für eine beeindruckende, riesige Felswand! Was für ein Downhill ins Soca-Tal! Was für ein herrlich kühles Bad in der Soca! Aber der Reihe nach: Zunächst radeln wir oberhalb von Kranjska Gora ins Tal der Piscina hinein, dann queren wir rüber zur Passstraße, um sie bald wieder zugunsten einer alten, inzwischen herrlich begrünten Militärstraße zu verlassen. Neben uns erhebt sich majestätisch die schroffe Wand des Prisank. Nach einem alkoholfreien Bier suchen und finden wir auf der anderen Pass-Seite einen Wanderweg, der sich als genialster Downhill der ganzen Tour entpuppt und uns zur Quelle der Soca bringt. Entlang dieses unglaublich klaren Flusses rollen wir – unterbrochen von einem dringend nötigen Erfrischungsbad – über Asphalt- und Kieswege bis nach Kobarid, wo uns die beste Pizza des Jahrhunderts empfängt.

20. Juli: Nachdem wir uns durchs gigantische Frühstüchsbuffet gefressen haben, diskutieren wir erstmal. Jochen hat genug vom Radeln – es ist immerhin bereits der 13. Tag. Und ich will nicht alleine in den Bergen rumkurven, schon gar nicht ohne vernünftige Tourenbeschreibung und bei gewittriger Wetterlage. Zwei Tage Flachland bis Triest – macht uns bei der Hitze auch nicht an. Also beschließen wir bis Udine zu radeln, von dort mit Bus oder Bahn nach Toblach zu fahren und statt weiter zu pedalieren lieber nich ein wenig zu wandern. Die Fahrt nach Italien führt uns an der hübschen Napoleonbrücke über die Nadiza vorbei, gewährt uns noch einige prima Panoramablicke und Waldabfahrten und bringt uns, an Sonnenblumenfeldern entlang, kurz vor dem großen Gewitter nach Udine. Die Idee mit der Busfahrt nach Toblach verwerfen wir bald, da man uns erzählt, der Busfahrer würde vielleicht unsere  Mountainbikes mitnehmen, vielleicht auch nicht – je nachdem, wie viel er sonst an Gepäck geladen hat… Wir kaufen uns daraufhin erstmal ein riesiges Eis (ich: vier Kugeln!) und nehmen dann den Zug über Villach und Spittal nach Lienz, fahren also die Strecke der Vorwoche in entgegengesetzter Richtung. Weiter geht’s heute nicht mehr, zu spät…

21. Juli: Am Morgen weckt uns der Regen am Fenster. Damit hatten wir nach so vielen Sonnentagen nicht gerechnet! Trotzdem nehmen wir einen frühen Zug nach Toblach, radeln zum Nugget, decken uns in der Käserei Drei Zinnen mit Leckereien ein und fahren zum Dürrensee, den wir vom Südtirol-Urlaub vor zwei Jahren kennen. Der Himmel ist weiterhin bedeckt, aber es regnet nicht mehr. Vielleicht wird’s ja immer besser? Wir nehmen optimistisch den Bus zur Auronzo-Hütte und beginnen eine Wanderung um die Drei Zinnen. Kurz vor der gleichnamigen Hütte geraten wir in einen heftigen Regenschauer, ein einzelner lauter Donner lässt uns noch schneller gehen. In der Hütte gibt’s heiße Schokolade mit Schuss, und als wir rauskommen, ist es fast schon sonnig! Wir beschließen also nicht wieder den Bus zu nehmen, sondern zum Nugget hinunter zu wandern. Unterwegs kommen wir an einer alten Schneebrücke vorbei, auf die Jochen aus einer Laune heraus einen nicht besonders großen Stein wirft. Mit lautem Krawumms kracht sie auf einer Länge von mehreren Metern ein – wir sind beeindruckt. Und spinnen im Lauf des Abstiegs eine weitere tendenziell verrückte Idee: Unser Kalender hat uns verraten, dass am Montag Schwörmontag in Ulm ist – der Feiertag des Jahres in unserer Kennenlern-Stadt. Sonst haben wir montags nie Zeit… aber im Sabbatical könnten wir hinfahren! Außerdem wollen wir unseren Kindern doch internationales Kulturgut vermitteln. Das „Nabada“ auf der Donau im Rahmen des Schwörmontags gehört zweifellos dazu! Wir düsen also in knapp vier Stunden zur restlichen Family nach Kempten und weihen sie in unsere Pläne ein.

22. Juli: Nach einem Frühstück in großer Familienrunde bereiten wir uns aufs Nabada vor: Bei den anderen Großeltern in Leipheim holen wir das 35 Jahre alte Familien-Schlauchboot ab. In Ulm treffen wir uns abends mit ganz vielen Freunden, leihen uns Neopren-Klamotten und parken den Nugget strategisch günstig an der Donau.

23. Juli: Vormittags beobachten wir, wie sich die Donauufer und der Fluss selbst nach und nach mit Leben füllen. Themenboote werden fertig gezimmert, Schlauchboote aufgeblasen, höchst abenteuerliche Flöße zu Wasser gelassen. Als der offizielle Startschuss fällt, sind wir schnell mitten im Gewühle. Wir spritzen wie verrückt mit unseren Wasserpistolen und werden zum Dank mit Eimern übergossen. Eine zeitlang macht das enormen Spaß, doch dann verschwindet die Sonne hinter Wolken und die Kinder beginnen zu frieren. Deshalb verschanzen wir uns hinter einer Zille, leihen uns von Freunden am Ufer für die Kids trockene Kleidung und fahren erst weiter, als alle Rowdies vorbei sind. So können wir in Ruhe die vielen Teilnehmer beobachten und nehmen genau die richtige Portion an Abenteuer mit. Dass der Nugget mit Handtüchern und Keksen am Ufer auf uns wartet, ist mal wieder ein Segen!

Nabada in Ulm

Nabada in Ulm – unten links die Rosers in Opas altem Schlauchboot.

24. bis 27. Juli: Als Abschluss dieser Etappe besuchen wir die Taufpatin beider Kinder in der Nähe von Ulm. Ich wiederum bin Patin ihrer 12-jährigen Tochter Sarah und freue mich riesig, gemeinsam mit ihr und ihrem Bruder den offiziellen Ferienbeginn zu feiern. Auf Sarahs Wunsch hin gehen wir mittags Döner essen, und ein großes Eis gibt’s natürlich auch. An unserem Lieblingsbaggersee ist Opas altes Schlauchboot im Dauereinsatz. Außerdem bauen wir geniale Tipis im (leider sehr zeckenverseuchten) Wald am Ortsrand. Und dann fahren wir schließlich in unser Örtchen, nach Gebersheim. Nun sind wir wirklich zu Hause angekommen. „Ich fahre nie mehr weg, schon gar nicht ohne meinen besten Freund“, fasst Valentin die aktuelle Lage zusammen…

 

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