Goodbye Kiwis!

Wir sitzen im Flughafen von Auckland, in aller Frühe (der Wecker hat uns um 4:15 Uhr aus dem Bett geschmissen) und lassen die vergangenen Tage Revue passieren. Es waren die letzten in Neuseeland. Gestern sind wir in Auckland angekommen, heute, am 18. Mai, geht unser Flieger nach Saigon. Ich habe Neuseeland anfangs in einem Blogbeitrag ganz hoffnungsvoll als zweite Heimat für die nächsten Monate bezeichnet. Und genau so ist’s glücklicherweise gekommen, wir fühlen uns heimisch und wohl hier, haben uns mit der eigenartigen Naturverbundenheit der Kiwis vertraut gemacht, sind wie sie mit dem Auto über den Strand gedüst, mit dem Motorboot rumgetuckert, am Lagerfeuer gesessen, Angeln und Segeln gegangen. Wir wissen, was wo steht im Supermarkt, was man am besten im Café bestellt, wo es die leckersten Fish’n’Chips gibt, was Feijoas und Kumaras sind (kiwiähnliche grüne Früchte und rotschalige Süßkartoffeln)…

Ganz besonders viel Heimat haben uns die letzten Wochen gegeben, wie wir bei unserem Freund Don verbracht haben. Am oberen Ende seines langgezogenen, riesigen Hanggrundstücks in der Nähe der Bay of Islands hat Ulla ihren letzten Stellplatz gefunden (bis zu dem Tag, an dem sie abgeholt wurde…). Die ausgebaute Scheune gegenüber ist zu unserem Wohnzimmer, Esszimmer, unserer Küche und zum liebsten Spielplatz von Antonia und Valentin auf der ganzen Reise geworden. Nie haben sie so schön, lange, ausdauernd, kreativ und selbstzufrieden zusammen gespielt wie bei Don – und sie haben sich schon vorher (meist) erstaunlich gut vertragen! Lego, Kuscheltierkrankenhaus, Wohnwagen aus Milchkanistern, Zelten im Haus und jede Menge Spaß mit dem genialen Schaukelsessel sind nur die ersten paar Beispiele, die mir spontan einfallen.

Weil wir bei Don einfach viel gemeinsamen Alltag erlebt haben, mit Schule, spielen, putzen, backen, bauen und einigen Ausflügen, gibt es den Rückblick diesmal nicht tageweise, sondern nach Themen sortiert:

Outdoor-Küche: Lang hat’s gedauert, bis Don sich wirklich sicher ist, dass er eine solche Küche braucht, wo er sie haben will und was sie ungefähr können muss. Und so läuft uns letzten Endes glatt die Zeit davon. Doch wir schaffen es ein paar sichtbare Spuren zu hinterlassen: Zunächst graben wir ein Loch vor dem oberen Scheunenhaus, um das vorhandene Betonfundament zu vergrößern. Dann bauen wir eine halbwegs präzise Schalung und lassen Beton bestellen. Eines morgens rückt ein gelb-rot gestreifter Betonmischer an und versenkt eineinhalb Tonnen graue Masse in unserem Erdloch. Dann regnet es erstmal tagelang. Als wir schließlich weiterbauen können, errichten wir ein Hüttchen mit Wellblechdach, das sich an die Scheune schmiegt. Es verfügt über Brauch- und Abwasserleitung, Pläne für Elektrik und Innenausstattung liegen vor… Aber da Don in Kürze selbst für mehrere Monate nach Tonga segeln und dort den von einem heftigen Sturm gebeutelten Bewohnern beim Wiederaufbau helfen wird, hat er weder den Kopf frei noch benötigt er die Küche dringend. Nächstes Jahr kommen neue Wwoofer…

Hangi-Essen: Auf Dons Grundstück gibt es zwei vermietete Häuschen, in einem wohnt ein englisches Paar, im anderen eine maori-estnische Familie. Irgendwie hat es sich eingebürgert, dass jeder mal für jeden kocht. Wir machen einmal Paella und einmal Semmelknödel mit Rahmchampignons im großen Stil. Bei den Engländern gibt’s Fajitas mit Hühnchenfüllung für alle. Und dann ist da noch der Hangi-Event. Der Name bezeichnet eine traditionelle Maori-Methode zum Garen großer Speisemengen. Dafür wird zunächst ein Loch in die Erde gegraben, in unserem Fall im Gemüsegarten. In das Loch kommt ein flacher Drahtkorb. In diesen erhitzte Steine, die zuvor mehrere Stunden lang im Feuer lagen. Obenauf nun nochmals zwei Drahtkörbe, der erste gefüllt mit enormen Fleischstücken, der zweite mit Säckchen voller Gemüse und Fischen in Alufolie. Alles ist dick in Kohlblätter eingepackt, zum Feuchthalten. Abgedeckt wird der Turm mit großen nassen Handtüchern, bevor er unter einer dicken Schicht Erde verschwindet. Und dann heißt es warten, etwa zweieinhalb Stunden lang. Der extrem rauchige Geruch beim Ausbuddeln lässt erahnen, wie das Ganze schmecken wird. Leider waren unsere Hangi-Steine wohl nicht heiß genug, die meisten Zutaten müssen nochmal für ein Weilchen in den Backofen. Doch dann ist Dinner Time, ein Festessen! Zum Fleisch und Fisch passt der extreme Räuchergeschmack recht gut, für Kartoffeln und Kürbisse gibt es meiner bescheidenen Meinung nach bessere Zubereitungsarten. Aber das schönste am Hangi ist ohnehin das Gemeinschaftserlebnis. Die halbe Nachbarschaft ist da, alle möglichen Leute, die wir noch nie gesehen haben und mit denen man wunderbar quatschen kann.

Neue Freunde: Bei Don kommt keine Langeweile auf, ständig sind irgendwelche Leute zu Besuch. Familien mit Kindern, gestresste Kollegen aus Auckland, seine neue Flamme. Auch die Mitbewohner auf dem Grundstück sind super herzlich und immer für einen Plausch zu haben. Richtig angefreundet haben wir uns seit dem Hangi mit einer Familie, die zwei Grundstücke weiter wohnt. Als ausgewanderte Waliser haben sie sich in Northland ihren Traum von einer Farm mit südlichem Obstgarten erfüllt. Bananen, Mangos, Avocados, unzählige Obstbäume und massenweise Gemüse wachsen hier. Dazwischen rennen Enten und Hühner umher. Auf den Weiden grasen Schafe, ein paar Kühe, zwei Pferde und ein Pony. Ganz so romantisch geht es im Wohnbereich nicht weiter, denn bisher steht auf dem Grundstück lediglich eine Blechscheune. Ein Teil ist als provisorischer Wohnraum hergerichtet, mit einem angeflanschten Wohnwagen als Schlafzimmer. Vor allem die Mäuse nerven hier, bringen die lustige Sarah und ihre Family aber nicht aus der Fassung. Bald soll der andere Scheunenteil bezogen werden, der gerade etwas professioneller ausgebaut wird. Und irgendwann soll ein echtes Wohnhaus folgen… Wie auch immer, wir fühlen uns wohl hier, ärgern uns lediglich, dass wir uns nicht früher kennengelernt haben und kommen die letzte Woche lang ungefähr täglich zum Tee vorbei. Zweimal dürfen die Kids auf dem Pony reiten, wobei uns beim längeren Ausritt eine so gnadenlose Regenfront erwischt, dass wir alle noch lange drüber lachen werden!

Kauri-Bäume: Wir sind bei Don zwar so zufrieden, dass wir gar nicht weg wollen, aber ein paar der besten Sehenswürdigkeiten der Nordinsel sind dermaßen nah, dass uns nichts anders übrig bleibt als sie anzuschauen. Unter anderem machen wir eine Tagesausflug zu Neuseelands größten Kauri-Bäumen, die mit 16 Meter Stammumfang wahrlich riesenhaft sind. Alle schnell zu erreichenden, parkplatznahen Kauris stehen hinter Absperrzäunen. Doch nach einer Dreiviertelstunde schönster Urwaldwanderung gelangen wir zu einem Baumriesen, den wir tatsächlich (ein Stück weit) umarmen dürfen. Dieser Baum ist wohl an die 2000 Jahre alt, unvorstellbar! Auf dem Rückweg legen wir einen Stopp bei den heißen Quellen von Ngawha ein. Die Anlage ist urig und sympathisch gemacht – aber das Wasser ist dunkelgrau. Als ich nach dem Grund für die Verfärbung frage, bekomme ich zu hören, dass man es auch nicht wisse, die Farbe aber wechsle, gestern sei Grün dran gewesen. Ich nehme (im Gegensatz zu Jochen) nur ein Fußbad.

90 Mile Beach: Unser absolutes touristisches Highlight auf der Nordinsel ist der 90 Mile Beach. Er erstreckt sich entlang der gesamten Westküste des nördlichsten Inselstücks, sandig, flach und bei Ebbe mit dem Auto super befahrbar. Zunächst kaufen wir noch in Kaitaia eine Bäckerei leer – schließlich brauchen wir Verpflegung bis zum nächsten Mittag. Dann geht es los, von Süd nach Nord. Nach einer Weile machen wir Picknick auf einem Baumstamm. Später inspizieren wir ein ausgebranntes Auto. Noch später rutschen und hüpfen wir auf einer steilen Sandabbruchkante herum. Nach mehr als einer Stunde ständigen Strandfahrens kommen wir an einem Inselchen vorbei… Und der Strand ist immer noch nicht zu Ende. Als die Klippe in Sicht kommt, die dem Sandstreifen schließlich doch den Garaus macht, stellen wir unsere Zelte auf, ganz vorne in den Dünen. In Ottos Kofferraum sitzend unterhalten wir uns zu viert lange über all das Schöne, das uns unsere Neuseelandzeit gegeben hat, so lange, bis die Sterne am klaren Nachthimmel zu sehen sind und wir in unsere Schlafsäcke schlüpfen. Am nächsten Morgen machen wir uns auf zu den wenige hundert Meter im Landesinneren gelegenen Te Paki Dünen. Der Blick von oben ist gigantisch. Und das Runtersausen auf dem Bodyboard erst! Das machen wir nicht nur einmal! Am Leuchtturm von Cape Reinga genießen wir anschließend Neuseelands nördlichsten Punkt, an dem sich Tasman Sea und Pazifik vereinigen. Dort gabeln wir auch eine junge Spanierin auf, die eine Mitfahrgelegenheit sucht. Wir bringen sie direkt zu ihrem etwa 180 Kilometer südlich gelegenen Campingplatz, der völlig abseits in der Pampa liegt, weshalb uns der Weg an unglaublich schönen einsamen Inseln und Stränden vorbeiführt.

Sportliche Aktivitäten: Die Gegend ist traumhaft zum Joggen. Leicht hügelig, fast autofrei und voller toller Ausblicke auf Meer und Inseln. Einmal begleitet mich Valentin, ein anderer Mal rennen beide Kinder mit. Da geraten wir allerdings in ein dermaßen schönes Abendrot, dass wir mehr stehen und gucken als rennen. Mit Antonia unternehme ich eines schönen Tages (nachdem ich mit Valentin Sonnenbrillen shoppen war) eine Weiber-Wanderung durch Mangrovenwälder. Wir quasseln acht Kilometer lang praktisch ohne Pause und genießen es Ruhe von unseren Männern zu haben (die derweil auf dem Rasenmähertraktor übers Grundstück jagen). Kajakfahren geht auch wunderbar hier. Bei unserem zweiten Ausflug durch die Mangroven wagen sich die Kinder in ein eigenes Kajak und halten echt gut mit! Zum Schwimmen fahren wir an einem der Regentage ins äußerst schlichte Hallenbad von Kawakawa. Anschließend müssen wir unbedingt noch durch den Ort zu seiner einzigen Sehenswürdigkeit schlendern, einer einzigartigen öffentlichen Hundertwasser-Toilette (Friedensreich Hundertwasser verbrachte in der Gegend seine letzten Jahre).

Fahrzeugverkauf: Zunächst sei an dieser Stelle Ullas zugkräftiger Partner Otto genannt: Ihn haben wir für 500 NZ Dollar über dem von uns bezahlten Preis an ein älteres Ehepaar verkauft, das seine Enkelkinder in einem sicheren Fahrzeug transportieren möchte. Besonderes Plus an dem Deal: Wir dürfen Otto bis zum letzten Tag nutzen! Ulla geben wir ein paar Tage früher ab – und hier muss nun doch ein Datum genannt werden: 14. Mai, ein historischer Tag. Nachdem sie tagelang den Regen vorgeschickt hat, traut sich die Sonne endlich wieder aus ihrem Versteck hervor. Wir nutzen die Gelegenheit, räumen Ulla komplett aus, saugen und putzen sie, legen einen Sekt in den Kühlschrank – heißt in Summe: Wir machen den Wohnwagen bereit für die Übergabe. Nachmittags um drei Uhr treffen wir die neue Besitzerfamilie im Postamt von Kerikeri, um die offizielle Eigentumsübertragung durchzuführen (ist in Neuseeland eine Sache von wenigen Minuten). Danach sehen wir uns direkt bei Ulla wieder und machen eine detaillierte Einweisung. Anschließend gibt es vegane Muffins (habe ich gebacken) und einen Muttertagskuchen (hat Simone, die neue Ulla-Besitzerin mitgebracht). Wir unterhalten und blendend, bis es draußen allmählich dunkel wird. Und dann müssen wir das Unvermeidliche beobachten: Ulla, unser Zuhause für fünfeinhalb Monate, rollt davon. Wir setzen uns geknickt aufs Sofa und weinen eine Runde, alle vier…

Segeln auf der Caro Vita: Erst macht uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung, doch am allerletzten Tag klappt es – wir dürfen nochmal auf die Caro Vita. Don hat die vorangegangenen Tage mit endlosen Optimierungsarbeiten verbracht, um sein Boot fit für Tonga zu machen. Gemeinsam testen wir die reparierten Segel bei vollem Wind, geraten in richtig coole Schräglage und sausen mit neun Knoten übers Meer. Valentin verspricht Don bei der Gelegenheit, zurückzukommen sobald er erwachsen ist (spätestens!) und mit ihm durch die ganze Südsee zu kreuzen. Er klingt dabei sehr überzeugend.

Kiwi-Läden: Angefangen hat das Ganze ja mit „The Warehouse“. Diese Ladenkette hat zugegebenermaßen viel Billigschrott, aber dank der Breite des Sortiments ist es unheimlich spaßig einfach mal durchzuschlendern. Klamotten, Bücher, Lego, Küchenzubehör, Möbel, Werkzeuge, Gartenbedarf, Schokolade und Gesichtscreme – da findet jeder was zum Gucken. Daraus hat sich eine wiederkehrende Lust am neugierigen Shop Exploring entwickelt. In der Bay of Island finden wir besonders eindrucksvoll: 1) Burnsco, einen Laden, der eigentlich Camping-Equipment vertreibt, direkt am Meer aber auch stark auf Bootsbesitzer setzt. Von Angelködern über Signalfahnen, Kugelventile und Opferanoden bis hin zu Schiffsmotoren ist hier alles zu finden. Ein Paradies für den Welt- und Segelerklärer Jochen und seine Kinderlein! 2) Hunting & Fishing: Nix zum Einkaufen, aber die Menge an Gewehren und vor allem Angelruten ist durchaus beeindruckend. Dazwischen jede Menge Enten-Attrappen, Fisch-Smoker und Camouflage-Klamotten mit Blätterdesign, irgendwie sehr neuseeländisch. 3) The Man Cave: Designermöbel im Landlust-Stil, Retro-Nippes, Grill- und Saufzubehör garniert mit Männersprüchen und eine große Ecke voller Second Hand-Werkzeuge sorgen hier für einen ausgesprochen hohen Amüsement-Faktor. 4) Farmers Market: Auf diesem Wochenmarkt finden wir zum ersten Mal die interessante Feijoa-Frucht, echtes Roggenbrot, relativ leckeren Käse und eine fröhliche Altherren-Band. Als sie „I wanna go home“ anstimmt, wippen wir unversehens besonders stark mit, sehen uns in die Augen und nicken: Ja, es ist schön hier. Und ja, es ist allmählich Zeit heimzukehren…

3 Gedanken zu “Goodbye Kiwis!

  1. Eine spannende Reise, die Sie sich vorgenommen haben: ein Sabbatical. Das könnte ein Modell für viele gestresste Familien sein. …
    Ich zitiere Ihren Anfang: „Weil wir bei Don einfach viel gemeinsamen Alltag erlebt haben, mit Schule, spielen, putzen, backen, bauen und einigen Ausflügen, gibt es den Rückblick diesmal nicht tageweise, sondern nach Themen sortiert …“ SCHULE kann man natürlich immer implizit verstehen: Sie lernen aus Ihren vielfältigen Erfahrungen. Fand SCHULE in Ihrer Zeit bei den Kiwis aber auch explizit statt, gab es Stunden, in denen Schulstoff das Thema war?

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