Oktober in Northland

Heute ist der 1. Mai, Tag der Arbeit in Germany. Nach einem langen Herbstausflug zu den größten und dicksten Kauri-Bäumen Neuseelands steht mir der Sinn eigentlich eher nach Lagerfeuer und gemütlichem Bierchen – aber hilft ja nix, die Chronisten-Arbeit ruft. Außerdem fühlt es sich ziemlich unfair an, der Welt da draußen noch immer nicht von Don erzählt zu haben, unserem sagenhaft freundlichen aktuellen Wwoofing-Gastgeber, den man – zumindest verbal – einfach kennenlernen muss! Aber wie immer: Schön der Reihe nach, tagebuchtechnisch kommen wir gerade erst aus Vanuatu zurück…

12. April: Auckland begrüßt uns nicht nur mit Regen. Sondern mit einem veritablen Sturm. Wir sehen umgeknickte Bäume auf den Gehwegen liegen, erfahren vom Taxifahrer, dass einige Stadtteile phasenweise ohne Strom waren und sind sehr erleichtert, unser Gespann Otto und Ulla wohlbehalten auf ihrem Stellplatz im Industriegebiet vorzufinden. Nachts haben wir vor lauter Wind und Regen das Gefühl der Wohnwagen wolle abheben. Und trotzdem ist es irgendwie schön wieder in der vertrauten Umgebung zu schlafen.

13. April: Wir können uns zu nichts aufraffen, vermissen den Sonnenschein Vanuatus und versuchen mühsam wieder in Neuseeland anzukommen. Vielleicht helfen Wasser und türkise Beckenfarbe? Einen Versuch ist’s wert, und Sauberkeit hat noch niemandem geschadet – also auf in eins der kostenlosen Schwimmbäder Aucklands. Direkt am Parkplatz gibt es eine Wäscherei, so dass unsere Inselklamotten gleichzeitig einen Reinigungszyklus durchlaufen. Ansonsten stehen Einkaufen, Tanken und ähnliche sinnvolle Aktionen auf dem Programm, die zwar für Ablenkung sorgen, aber nicht gerade dabei helfen den Wohlfühlfaktor zu erhöhen.

14. April: Heute gibt es, wie bereits am Vortag, ausführlichen Schulunterricht, denn unsere verspäteten Osterferien sind schließlich vorbei. Hauptbestandteil des Deutschunterrichts ist zunächst, das Erlebte aufzuschreiben. Das trainiert zum einen die Fähigkeit nachvollziehbare Geschichten in einer vernünftigen Reihenfolge zu verfassen und sorgt zum anderen für eine wunderbare bleibende Erinnerung – zumal Antonia das Ganze mit schönen Zeichnungen verziert. Nachmittags wird das Wetter langsam besser, so dass unser Platzvermieter den riesigen Ball wieder aufpumpt, mit dem wir vor dem Abflug bereits wie wild gespielt haben. Abends gehen wir einfach mal schön essen, so schick wie noch nie in Neuseeland. Das nautisch gestaltete Restaurant „The Landing“ ist für seine Seafood-Gerichte bekannt – zu recht, alles schmeckt himmlisch. Zum Sattwerden holt Jochen sich allerdings anschließend noch eine Pizza.

15. April: Nach einer letzten Runde mit dem Riesenball ziehen wir weiter Richtung Norden. Unser Tagesziel sind die Waipu Caves, in denen es unzählige Glühwürmchen geben soll. Doch zunächst lockt uns ein Schild, das auf eine Käserei hinweist, in ein Seitental. Klingt vielversprechend! Denn eigentlich gibt es in Neuseeland kaum offenen Käseverkauf, alles ist in gleichmäßigen Quadern industriell verpackt. Leider auch in der Käserei. Die Sortenauswahl ist überschaubar, die vorverpackten Stückchen sind kleiner, dafür teurer. Aber in einer Ecke steht ein Probiertischchen. Und was soll ich sagen? Der Gruyère schmeckt fast wie zu Hause, Preis hin oder her, da muss ein Stück mit! Das bei der Ankunft an der Höhle bereits verspeist ist. Gegen Abend machen wir uns zusammen mit zwei Hamburger Abiturientinnen auf die Suche nach den Glühwürmchen. Anfangs sehen wir nur vereinzelte grünblau schimmernde Punkte. Doch nach der ersten großen Biegung tut sich ein Gewölbe auf, das über und über mit Leuchtflecken besetzt ist. Wir schalten die Lampen aus und staunen, bis alle Nacken schmerzen.

16. April: Ja ist denn heute Weihnachten? Vor der Tür stehen Geschenke – die Hamburger Mädels müssen zum Flieger und haben uns ein Topfset, diverse Lebensmittel und eine Kuscheldecke vermacht – dankeschön! Nach einer Joggingtour durch den matschigen Wald und einem erneuten Besuch bei den Glühwürmchen fahren wir weiter nach Whangarei, wo wir den letzten Stellplatz an einer preisgekrönten Klappbrücke ergattern, die sich erstaunlich oft öffnet, um einzelne Segelbötchen passieren zulassen. Über Umwege haben wir von einer Dame aus der Umgebung erfahren, die sich einen Wohnwagen kaufen möchte. Da wir unsere Ulla ja irgendwann an den Mann oder die Frau bringen müssen und das nur ungern über eine anonyme Internet-Auktion abwickeln würden, laden wir die Interessentin kurzerhand für den nächsten Vormittag ein. Was bedeutet: putzen, putzen, putzen, von innen und von außen. Bis spät nachts nähe ich an den Polstern herum, die von den Vorbesitzern neue rote, nur mit wenigen Stichen befestigte Überzüge bekommen hatten und schon seit Monaten zerfleddert aussehen. Wird alles wieder schön!

17. April: Die erste Ulla-Vorführung ist ernüchternd. Unsere Interessentin, eine freundliche ältere Dame, blickt nur zum Fenster hinein und verkündet sogleich der Wohnwagen sei zu klein. Naja, dann nutze ich wenigstens die Chance, um von dem blitzsauberen Innenraum tolle Fotos zu machen. Anschließend schlendern wir am Fluss entlang zur hübschen Uferpromenade von Whangarei. Valentin ist begeistert von den vielen dort liegenden Segelbooten und zerrt uns auf einen offenen Steg, ganz nah an ein paar enorme Katamarane. Seit unseren Segelboot-Übernachtungen in Vanuatu hat den jungen Mann das Boot-Fieber gepackt – und es steckt an! Selbst der für den Nachmittag geplante Schwimmbadbesuch vermag uns kaum wegzulocken. Doch irgendwann siegt die Vernunft, wir müssen doch mal wieder duschen, und außerdem gibt es ein Wellenbecken…

18. April: Nach der Schule düsen wir schnurstracks Richtung Paihia, denn wir wollen Don, unseren Gastgeber für die nächste Zeit, zumindest noch kurz kennenlernen. Er muss am frühen Nachmittag nach Auckland fahren, wo er hauptberuflich Boote kauft und verkauft. Gefunden haben wir Don über die Wwoofing-Homepage für Neuseeland (Working on Organic Farms…). Er hat zwar keine klassische Farm, sondern „nur“ ein riesiges Grundstück auf dem Land mit einigen Pferden und mehreren ausgebauten Scheunen, doch die Aussicht auf gemeinsame Lagerfeuer, eine spannende Community und ein cooles Projekt (Outdoor-Küche bauen) reizt uns ausreichend. Zum Glück. Wir bekommen für Ulla einen wunderschönen Stellplatz am oberen Ende des Hanggrundstücks mit Blick übers gesamte Tal und schließen Don von der ersten Sekunde an ins Herz. Grenzenlos großzügig bietet uns der Mittfünfziger, der sich selbst als “Christian Sailor“ bezeichnet, seine Küche, seine Werkstatt, seine Mountainbikes und Kajaks an und lässt durchblicken, dass er uns gern mal auf sein Segelboot mitnehmen möchte. Dann muss er los, und wir stehen da. Unglaublich, das Ganze. Um schleunigst irgendetwas Gutes zu tun, fangen wir an, mit dem Minitraktor die zahlreichen Grasflächen zu mähen.

19. April: Jochen kümmert sich mit Antonia und Valentin weiter ums Rasenmähen. Er bedient die Pedale, auf dem Schoß ein lenkendes (und dabei strahlendes) Kind. Doch plötzlich ist es ganz still. Der Keilriemen ist gerissen. Na, wir verbreiten ja einen tollen ersten Eindruck! Einzige Chance: Losziehen und einen neuen kaufen. Beziehungsweise erstmal finden. Im nächsten größeren Ort, Paihia, klappt das schon mal nicht, die Autowerkstatt kann uns nicht weiterhelfen. Aber schön ist es hier! Wir setzen uns erstmal mit Fish’n’Chips an den Strand. Dann geht’s weiter nach Opua in die große Marina, doch auch die dortige Werkstatt winkt ab. Egal, gehen wir eben wieder Segelboote gucken. Und weil das neugierige Spazierenschauen so Spaß macht, schlendern wir auch gleich noch durch einen großen Bootausrüstungsladen. Im 20 Minuten entfernt gelegenen Hauptort der Gegend, Kerikeri, werden wir nach einiger Fragerei zum perfekten Rasenmäherladen geschickt und finden, was wir suchen. Unterwegs halten wir zudem an einer Kiwi-Plantage – keiner von uns wusste bisher, wie Kiwifrüchte wachsen – und an einer prima Bäckerei. Lohnender Ausflug also. Und als wir heimkommen, fragen uns doch glatt die Mieter des ersten Hauses ganz unten auf Dons Grundstück, ob wir mit ihnen Abendessen wollen, Räucherfisch und Kürbissuppe (alle Zutaten aus dem eigenen Garten). Klar wollen wir. Wird ein hochinteressanter Abend mit diesem ungewöhnlichen Paar, sie Estin, er halber Maori, und ihrem kleinen Sohn, der dreisprachig aufwächst (Englisch, Estnisch, Maori).

20. April: Unser Wohnwagen verfügt über ein Vorzelt. Haben wir bisher nie gebraucht. Aber fürs Verkaufen wäre ein Foto davon gut. Ohne Anleitung, aber mit dem besten Improvisations-Ingenieur weit und breit in unseren Reihen kriegen wir das Ding aufgebaut und verdoppeln damit unsere Wohnfläche. Ganz cool eigentlich. Hier kann man gemütlich sitzen und beispielsweise Pläne malen. Jeder von uns zeichnet auf, wie wir uns die geplante Outdoor-Küche vorstellen, um unserem Gastgeber zumindest Gedankenarbeit präsentieren zu können. Später gehen wir groß einkaufen, denn wir wollen Paella für die ganze Community kochen – das scheint uns ein kulinarischer Beitrag für das hier wohnende Grüppchen zu sein, der alle neugierig und satt macht und gut zu uns Weltenbummlern passt. Abends sitzen wir mit zwei ebenfalls bei Don untergeschlüpften jungen Engländerinnen am Lagerfeuer und genießen den Sternenhimmel.

21. April: Heute testen wir die Kajaks. Das heißt wir schnallen zwei davon auf Ottos Dach und fahren damit zu den hübschen Haruru Falls, um direkt unterhalb einzusteigen und loszupaddeln. Der Fluss öffnet sich zur Lagune, gesäumt von Mangroven und bringt uns in die Bucht von Paihia. Wir umrunden ein Inselchen, steigen am Sandstrand eine Weile aus, um es zu erkunden, paddeln weiter und landen irgendwann am langen Stadtstrand, wo wir an Land gehen. Unser Auto ist jetzt zehn Kilometer entfernt. Per Anhalter zu fahren erweist sich schwieriger als gedacht, aber nach einer Weile hält doch ein freundlicher älterer Herr an, der mich direkt zu Otto bringt. Als wir die Kajaks abladen, kommt gerade unser Gastgeber Don angefahren. An diesem Abend haben wir bei einem großen Blech gebackener Süßkartoffeln endlich die Chance ihn genauer kennenzulernen.

22. April: Don löst seine Andeutung ein: Wir dürfen auf sein Segelboot. Gemeinsam mit den beiden Engländerinnen klettern wir auf das 53-Fuss-Boot „Caro Vita“, Don setzt sie Segel und nimmt Kurs auf die Inselwelt der Bay of Islands. Valentin ist im Himmel. Und auch alle anderen sind begeistert. Nachdem er in einer kleinen Bucht den Anker geworfen hat, verschwindet Don in der Kombüse und kommt bald darauf mit selbst gebackenen Scones zurück. Auf der Weiterfahrt ziehen riesige Delfine eine Show vor uns ab. Es sind Bottlenose Dolphins, deutlich größer als die niedlichen Dusky-Delfine, mit denen ich schwimmen war. Sie schrauben sich weit aus dem Wasser und lassen sich mit lautem Klatschen wieder hineinfallen. Als Dankeschön für diesen Tag kommt die Paella heute genau richtig.

23. April: Wir haben am Vorabend auch über den bevorstehenden Wohnwagenverkauf gesprochen. Dabei kamen die Ideen auf, Infos in lokalen Facebook-Gruppen zu posten und bestimmte Schwarze Bretter mit Flyern zu bestücken. Also schreiben wir alles fein zusammen und suchen die schönsten Bilder raus. Dann finden die Kinder ein altes T-Shirt von Jochen, das ich heimlich entsorgen wollte. Daraus kann man wunderbar Klamotten für die Kuscheltiere machen! Zunächst schnippeln sie wild drauflos, bis die Qualitätsansprüche steigen, ich Nadel, Faden und einen weißen Stift hole und von Schnittmustern, Nahtzugabe und Steppstichen erzähle. Wusste gar nicht, dass ich so was weiß! Die Shirts für Bäri und Schaf Attila werden jedenfalls prima. Als wir gerade fertig sind, kommt ein älteres Ehepaar des Weges, ach ja, Bekannte jener Dame, die vor einigen Tagen unseren Wohnwagen kurz beguckt und für zu klein befunden hat. Immerhin hat sie ihn weiterempfohlen. Doch der Mann blickt so böse drein, dass ich ihm die Ulla eigentlich nicht verkaufen möchte… Bei der anschließenden Ortsbegehung in Sachen Outdoor-Küche empfehlen wir Don, diese direkt links vor die obere Scheune zu stellen, um sich die Aussicht rechts ins Tal nicht zu verbauen. Er verspricht darüber nachzudenken, um uns gleich darauf die nächsten Ausflugstipps zu geben. Ob wir hier wohl noch zum Bauen kommen??

24. April: Wir gehen in die Vollen in Sachen Ulla-Verkaufsinitiative. Denn es ist totale Nachsaison und wir können absolut nicht abschätzen, wie gut sich ein alter Wohnwagen in der Region Northland derzeit verkaufen lässt. Falls alle klassischen Festpreis-Verkaufsversuche scheitern sollten, benötigen wir immer noch etwas Zeit für die letzte Lösung, eine Online-Auktion. Also: rechtzeitig starten! Um 14 Uhr schaffen wir es nach diversen Anläufen und einigem Fluchen endlich, die Verkaufsanzeige in „Trademe“, der neuseeländischen Version von Ebay, hochzuladen. Unsere Preisvorstellung liegt knapp unter dem Kaufpreis, den wir vor fünf Monaten für die gute Ulla bezahlt haben. Um 15 Uhr klingelt das Telefon, eine freundlich klingende Simone ist dran, noch vor 16 Uhr schaut sie sich den Wohnwagen an – und ist verliebt. Nun muss ihn nur noch ihr Mann sehen, der bei seinen Arbeitsaufenthalten in Auckland drin wohnen soll. Er möchte gegen Abend vorbeikommen. Bis dahin ist noch etwas Zeit, die wir nutzen, um in Kerikeri Lampen kaufen zu fahren. In Dons Küche kann man aufgrund der schlechten Lichtverhältnisse abends kaum kochen (die Paella habe ich mit Stirnlampe gemacht), das wollen wir ändern. Doch zunächst landen wir in einem Laden namens Man Cave, in dem es alte Werkzeuge, Farmer- und Grillbedarf, Barhocker in Form von Westernsätteln und jede Menge anderen amüsanten Schnickschnack gibt. Dahinter finden wir den Lampenladen – und als wir den Parkplatz gerade mit zwei hübschen Lämpchen im Gepäck wieder verlassen wollen, sehen wir am Straßenrand eine dunkelhaarige Frau im langen Rock stehen. Wir winken wie wild: Das ist unsere Simone, die den Wohnwagen kaufen will! Wenn das kein Zeichen ist! Als wir gerade zu Abend essen, klopft es an der Tür, Simone, die übrigens aus Namibia stammt, ihr deutscher Mann Dieter und ihre drei Kinder stehen in der Dunkelheit. Mit Taschenlampen umrunden wir den Caravan, Dieter testet das Bett und kann kaum glauben, wie gut er mit seinen knapp zwei Metern Körperlänge hinein passt, die Kinder überlegen, wer in welchem Stockbett schlafen darf. Mit dem Versprechen sich am nächsten Morgen zu melden, verabschiedet sich die sympathische Familie. Keine halbe Stunde später, gegen 20 Uhr, klingelt das Telefon. Es ist Simone mit der Zusage. Juhu!

25. April: Das Handy klingelt immer wieder, SMS und E-Mails kommen an – unser Wohnwagen stößt auf großes Interesse… Ein, zwei Leute bieten sogar an ihn unbesehen zu kaufen und bar zu bezahlen. Vielleicht haben wir ihn zu günstig angeboten? Wir notieren noch ein paar Nummern, nur für den Fall, und hoffen, dass die erste der beiden mit Simone vereinbarten Raten bald ankommt. Während ich telefoniere, baut Jochen die Küchenlampen ein. Dann packen wir unsere Sachen: Wir dürfen zwei Nächte auf Dons Segelboot übernachten. Er hat uns sein gut motorisiertes Dinghi am Steg bereit gestellt, wir beladen es mit Essen, Klamotten und Schwimmausrüstung und flitzen in die geschützte Bucht von Russell, in der die Caro Vita ankert. Jochen macht mit den Kindern gleich noch einen Ausflug zur Tankstelle, denn wir planen für den nächsten Tag eine große Dinghi-Tour, da muss der Tank voll sein. Begeistert erzählen mir die Kinder anschließend von riesigen Rochen, die sie unterwegs gesichtet haben. Dann dürfen sie im Bootsmannsstuhl am Mast schaukeln, bis am Horizont blutrot die Sonne untergeht.

26: April: Inselhopping im winzigen Dinghi – wenn das kein Abenteuer ist! Als ganz in unserer Nähe Delfine aus dem Wasser hüpfen, wird es den Kindern fast zu ungeheuerlich. Zum Glück beschließen die Tiere, lieber in den Heckwellen eines größeren Ausflugsboots zu spielen, so dass wir uns wieder entspannen. Auf einer der vielen kleinen Inseln machen wir Picknick und wandern auf einen Aussichtshügel, um den Weitblick über die knallgrünen Landstückchen im tiefblauen Meer zu genießen. An der nächsten Insel baden Antonia und ich in unseren Neoprenanzügen, Jochen geht Schnorcheln und Valentin lässt sich in einem Affenzahn auf dem Bodyboard hinterm Motorboot herziehen. Den ganzen Tag scheint die Sonne – kaum zu glauben, dass wir uns jahreszeitlich im Äquivalent zum deutschen Oktoberende befinden. Bei der Rückfahrt sind die Wellen größer als am Morgen, das kleine Dinghi schaukelt hin und her, so dass wir mit leicht grünlichen Gesichtern am Segelboot ankommen. Doch das Erholungsbedürfnis ist nach zehn Minuten passé, so dass die Kinder bald wieder am Mast turnen. Heute setze auch ich mich in den Bootsmannsstuhl und lasse mich bis an die Mastspitze ziehen. Und schnell wieder runter – denn so ein Segelboot ist verdammt hoch!!

27. April: Am Vorabend hat Don sich noch mit einem tollen Vorschlag gemeldet: Angelausflug! Wir holen ihn und zwei Freunde gegen neun Uhr an der Bootsrampe in Russell ab. Alles Weitere hat Antonia in einer Geschichte, die sie anschließend für Don geschrieben hat, so schön zusammengefasst, dass ich einfach aus ihrem Schulheft zitiere:

„Fisch am Haken
Don schlägt vor: Wir könnten Angeln gehen. Mit seinem Segelboot Caro Vita fahren wir aufs Meer. Dann holt er alles, was wir brauchen: Köder, Kühlbox, Netz, Größenmesser und natürlich die Angeln. Don sagt wir brauchen Geduld, aber wir halten die Angeln ins Wasser und zack ist der Fisch dran. Manche Fische müssen wir auch wieder reinschmeißen, weil sie zu klein sind. Am Schluss liegen sechs Fische in der Kühlbox, und zwei hab ich gefangen. Darauf bin ich stolz.“

Das Einzige, was noch zu ergänzen ist: Man kann sich kaum vorstellen, wie lecker dermaßen frische, selbst geräucherte Fischfilets zum Abendessen schmecken!

 

28. April: Valentin war zunächst untröstlich vom Boot zu müssen – aber Dons Vorsicht war richtig, seine Prognose tritt ein: Ein heftiger, regenreicher Sturm zieht übers Land. Noch in der Nacht haben wir Otto direkt vors Vorzelt gefahren und das Gestänge mit dicken Seilen abgespannt, die wir in den Radfelgen befestigt haben. Otto als mobiler Anker – er macht seinen Job wie immer gut. Valentin findet schnell einen adäquaten Ersatz fürs Segelboot: Er zerlegt die vor kurzem gebaute Lego-Katze und lässt daraus den Roboter Vernie wiederauferstehen, eine tagesfüllende Aufgabe. Jochen kümmert sich um Flüge, Geldangelegenheiten und anderen „Bürokrams“. Antonia hilft beim Legobauen, eröffnet ein Hotel für Vernie und die Kuscheltiere und denkt sich immer neue Spiele aus. Ich recherchiere wie wild zum Thema Vietnam. Und dann bekommen wir plötzlich noch einen gemeinsamen Kreativanfall und basteln aus Stöcken und Wolle hübsche Traumfänger – Regentage können auch ganz angenehm sein!

 

29. April: Schon beim Frühstück sind die Kinder hibbelig und voller Vorfreude: Sie dürfen heute mit Don zu einer Maori-Vorführung auf den Waitangi Treaty Grounds gehen. Er kommt dort als Vereinsmitglied kostenlos rein, Kinder sind ebenfalls gratis, während wir Großen ordentlich zahlen müssten. Deshalb hat Don vorgeschlagen sich das Ganze nur mit Antonia und Valentin anzusehen. Unsere Befürchtung, die beiden könnten sich zu unsicher fühlen mit einem relativ fremden, nur Englisch sprechenden Begleiter, ist unbegründet, sie sehen das völlig relaxt. Wir gehen derweil Mountainbiken im nahe gelegenen Bikepark und genießen es, uns bei einer Rast im Sonnenschein lange ungestört unterhalten zu können. Als wir zurückkommen, erwarten uns zwei glückliche, leicht verschmierte Kindergesichter: Es gab nach der wohl sehr eindrucksvollen Vorstellung jede Menge Eis für alle.

30. April: Heute wwoofen wir ein wenig, das heißt wir unterstützen beim Ausbessern eines Hühnerstalls und bei ein paar Badinstallationen, bringen den Müll weg und putzen die obere Scheune samt Küche und Kühlschrank blitzblank. Im Schulunterricht übersetzen wir gemeinsam Antonias schöne Angelgeschichte ins Englische, damit Don wirklich etwas davon hat. Diese Version ziert nun sein Gästebuch. Dann backen wir Karottenkuchen, während Don Mashed Potatoes und German Sausages kocht. Abends versuchen wir uns an einem Kinoabend inmitten von Dons frisch installiertem Dolby-Surround-System. Doch sowohl Bild als auch Ton steigen regelmäßig aus. Es gibt also doch noch ein paar Kleinigkeiten, die Jochen hier optimieren kann. Und wenn Don in den nächsten Tagen in Auckland sein wird, beginnen wir mit der Outdoor-Küche, ganz sicher!!

Ein Gedanke zu “Oktober in Northland

  1. Da kann man nur neidisch werden und sich in den Bauch beißen, daß man das nicht auch mal gemacht hat. Einfallsreichtum und Kinder, die „mitmachen“, dann klappt alles.

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